Entwurf für eine Parabel im Stil der deutschen Nachkriegsliteratur. (Von der deutschen Literaturstiftung als „zynisch“ abgelehnt).
Schließlich hatten sich die hohen Herren dazu durchgerungen, dass es endlich wieder einmal an der Zeit war, einen Krieg zu beginnen, einen richtigen, mit Töten und Bombardieren und Schächten und Verminen und Vergewaltigen undsoweiter. Ein Problem, mit welchem sie sich hierbei konfrontiert sahen, war, dass die meisten jungen Männer nicht im Krieg und nicht mal mit Kriegspropaganda, sprich Ehrencodices und heroischem Nonesense, sondern mit Computerspielen und allenfalls Fußballbundesliga aufgewachsen waren. Dies jedoch sind entgegen der Behauptungen konservativer Kulturpessimisten keine gewalttätig machenden, sondern größtenteils gewaltkompensierende Angelegenheiten, die junge Incels, welche ansonsten Kreuzzüge und Weltkriege bestritten hätten, auf seltene Amokläufe und hauptsächlich Internet-Trolling herunterkühlen. Hieraus ergab sich die für die hohen Herren durchaus nicht vorteilhafte Lage einer weinerlichen, selbstzentrierten, im Großen und Ganzen kriegs- und kampfesmüden Jugend. Hinzu kam die Tatsache, dass die meisten Jungs in dem Alter als Einzelkinder bei ihren überbehütenden Müttern wohnten, welche ihre übergewichtigen Lieblinge auch aus harmloseren Gründen nicht hätten ausziehen lassen. Gesetze mussten her. Einberufungsbescheide. Politisch ist das alles machbar, wenn der Wille da ist. Und so standen sie letztendlich doch auf ihren Katalaunischen Feldern, die Counterstrike- und Ultra-Millenials und Gen-Z-Frühankömmlinge, und taten, wozu sie sich in einer Art Flash Mob (organisiert durch die bisher eher durch impotente Hacking-Aktionen aufgefallene Organisation Anonymous) verabredet hatten: Sie schossen virtuos aneinander vorbei. Niemand kam zu Schaden, außer ein paar Ungeschickter, die sich wegen unsachgemäßer Handhabung oder fehlerhafter Ausrüstung selbst verletzten. Zwei Wochen dauerte es, bis den hohen Herren dämmerte, dass irgendwas in der Statistik nicht stimmte: Die eigenen Opferzahlen so niedrig zu sehen hatte sie erst erfreut, die angeblich nicht vorhandenen Opfer des Gegners hatte man als geschönte Buchführung entlarvt; doch irgendwann musste das Ganze ja auffallen. Ehemalige Influencer im NFT- und Bitcoin-Bereich glaubten, mit der Information über den Komplott bei den hohen Herren Kasse zu machen. Diese erkannten das Potenzial dieser Conmen gleich und buchten sie zu Propagandazwecken. Wer tötet, kann nun heftig reich in Dubai werden. Ja, und ab da war wieder alles wie immer in der Welt.
Kommentare von stephan