Ob das Nichtwissen nicht vielleicht die Rettung ist, derer wir uns nicht gewahr sind, unser metaphysischer Schutzengel? Was, wenn das Nichts und das Nichtwissen eine epistemisch-ontologische Allianz eingehen, um uns vor einer feindlichen Wahrheit zu schützen? Was, wenn diese Wahrheit nicht etwa die Erleuchtung und Erlösung wäre, sondern eine Art Ende von allem? Könnte es nicht sein, dass das Absolute keinerlei Bewegung mehr birgt, sondern in perfekter Zeitlosigkeit und Unveränderbarkeit nicht einfach die Schwester, sondern die Doppelgängerin des Todes ist? Was absolut wahr ist, ist unveränderbar wahr. Und wenn eine solche Monstrosität auch nur möglich wäre, müsste sie wohl einen Sog auf die materielle Realität ausüben, den diese nur mühevoll aushalten könnte. Doch letztlich bleibt natürlich unentscheidbar, ob dieser weißglühende Monolith des Absoluten existiert, oder ob es nur die epistemische Grenze ist, welche uns ein Possenspiel der Möglichkeit vorspielt. In gewisser Weise schützt uns der Rand vor dem Monolithen und der Frage nach seiner Existenz. Wir haben ja das zwanzigste Jahrhundert und seine arrogante existenzialistische Wahrheitsverneinung hinter uns. Aber die Verneinung der Existenz der Wahrheit beansprucht natürlich auch einen Zugang zur Wahrheit, um als Satz gelten zu können. Nur die klügeren Kommentatoren ertragen die Unentscheidbarkeit dieser ontologischen Frage und schütten nicht gleich das Kind mit dem Bade aus. Gerade hier liegt die Spannung, die quasi-hydraulisch das Sein am Fließen hält.

Aus der Erkenntnis der potenziell starren Wahrheit ergibt sich kein Konservatismus: Wir müssen nicht in Erkenntnis der Starre das Fragen einstellen, denn gerade diese Erkenntnis ist uns ja augenscheinlich verwehrt. Dabei ist es wichtig, auch hier immer die absolute Gewissheit der Aussage zu relativieren: Wenn wir nichts über die Absolutheit sagen können, können wir nicht einmal sagen, dass wir absolut nichts über die Absolutheit sagen können. Diese Denkfigur hat nicht zu Unrecht das Geschmäckle der Paradoxie. Es wird zu zeigen sein, dass es genau diese selbstreferentielle Schleife ist, welche die Grundkraft des Werdens ausmacht. Sie ist auf allen möglichen Ebenen verortet; von den empirischen, den epistemischen bis hinein in die ontologischen Bereiche. Sie ist das Stilmerkmal, das schon die Kybernetiker der zweiten Generation ausgemacht haben. Sie ist nicht Wert, sondern Funktion. Nicht Maschine, sondern ihre Arbeit. Nicht Hardware, sondern Software. Ist sie einmal angeworfen, saugt sie heraklitisch immer weiter. Gerade die Frage nach dem ersten Beweger ist es, auf der ihre eigene Wirkung beruht; gerade die Erfolglosigkeit der Ursachenuntersuchung ermöglicht die nächste Frage nach der Ursache.

Dabei ist das kein bloßes Ermöglichen der Frage, es ist ein Fragezwang, ein Sog ins Ungewisse. Gewiss kennt auch das schwarze Loch einen Abstand, ab welchem man sich seinem tödlichen Ruf widersetzen kann. Doch es ist schwierig, einen Ort zu denken, welcher komplett außerhalb des Einzugsbereiches läge. Es ist die leichte Strömung zu unseren Füßen, die wir im täglichen Werden verspüren. Und der Sturz ins schwarze Loch gelingt nur dem existenziell Beschädigten. Dabei ist auch dieser Sturz niemals ein Ankommen in der inneren Mitte des Nichts, sondern ein Zerriebenwerden im Mahlstrom der Grenze.