Schau in die bitteren Fressen der Kunden, der Käufer, der Gäste, Patienten. Patienten an der Welt! (zu patiēnslat ‘erduldend, ertragend, fähig zu erdulden’ < patīlat ‘(er)dulden, sich gefallen lassen, hinnehmen, (er)leiden’) Vor Ekel verzerrt ihre Lippen, ihr Blick fordert endlich Entschuldigung. I want to speak to the Manager. Erst mit steigendem Wohlstand kann der Mensch missmutig werden. Erst wenn er sich nicht mehr ums bloße Überleben kümmern muss, beginnt sich auf seinen Zügen diese Bitterkeit abzuzeichnen. Die Züge des Bauern zeigen Ressentiment und Hass. Das ist etwas anderes. Die Züge der wohlgenährten Großstädter, der relativ wohlhabenden Mittelschicht in unserer Zeit, sind von einer Enttäuschung gekennzeichnet, die die eigene Benachteiligung konstatieren. Warum konnten wir uns lediglich dieses Drei-Sterne-Hotel leisten? Warum haben wir keinen persönlichen Masseur in diesem Spa? Warum schmeckt der Kaffee in diesem Edelcafé so schal? Warum ist die Milch über den Rand getreten? Warum verlangt man so viel Trinkgeld von mir?
Es handelt sich natürlich um nichts anderes als den Ekel, das Absurde, das hier am Werk ist. Im Slum, in der Favela, findet sich die Erkenntnis des Absurden nicht, weil kein Beobachter möglich ist. Die möglichen Beobachter haben genug damit zu tun, sich was zu essen zu besorgen. Das Absurde können nur die feisten Mittelständler sehen, wenn sie wohlgenährt und erstaunt durch die niedergefallenen Hütten gehen. Dann sehen sie das Absurde. Und sie glauben es auch in ihrer Großstadt zu sehen. Man muss ihnen Recht geben. Ja, sie sind selbstgerecht und verwöhnt, aber sie haben Recht damit, enttäuscht zu sein. Der Mensch ist der Verlassene, der Ausgestoßene. Der Sündenfall war das Selbstbewusstsein, das man diesen Affen, diesen Primaten, geschenkt hat, der Biss von der Frucht der Erkenntnis, der ihm möglich macht, zu sehen, was er eigentlich ist. Man müsste Mitleid mit ihm haben, wenn er aus seinem SUV aussteigt. Man müsste Mitleid mit ihm haben, wenn er seine Verarmung feststellt in einer Welt, wo sein Einkommen 800 Mal höher ist als das eines Südafrikaners. Er hat ja keine andere Wahl, und er hat Recht. Und er ist dazu gezwungen, in seiner Selbstgerechtigkeit zu baden. Wir alle sind gezwungen, in unserer Selbstgerechtigkeit zu baden. Die Alternative wäre, in den Slum zu gehen oder Bauer zu werden, und sich dem Ressentiment zu überantworten. Muss man sich also in das Schicksal fügen, ein Arschloch zu sein?
10. Mai 2024
Kommentare von stephan